Sensorik in der dritten Dimension: MIDs für Losgröße 1

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Sensorik in der dritten Dimension: MIDs für Losgröße 1

Das Schlagwort Internet of Things oder kurz IoT ist in den letzten Jahren in aller Munde. Es beschreibt, dass beliebige Gegenstände mit Elektronik ausgestattet werden, so Daten sammeln und sie untereinander austauschen können. Von Smart-Home-Produkten, über Sensorsysteme, die den fehlerfreien Betrieb einer Maschine sicherstellen bis hin zu Smart Watches: Vernetzten Sensorsysteme sind bereits heute allgegenwärtig und werden, gerade mit Blick auf die 5G-Technologie, künftig noch an Bedeutung gewinnen. Auch kleine und mittelständische Unternehmen, die gerade in OWL zahlreich vertreten sind, sollten also an ihre künftige Wettbewerbsfähigkeit denken und sich mit der Entwicklung smarter und vernetzter Produkte beschäftigen.

Platzproblem für Sensorik

Hierbei steht zum Beispiel der Maschinen- und Anlagenbau mit seiner hohen Produktindividualisierung und kleinen Stückzahlen vor besonderen Herausforderungen. Beispiel: Ein Betrieb möchte Sensorsysteme für eine vorausschauende Wartung in sein Produkt integrieren. Der zur Verfügung stehende Raum für eine Sensorik ist oft verbaut und begrenzt. Um eine möglichst hohe Funktionsdichte zu erreichen und den Bauraum bestmöglich zu nutzen, sollten Sensoriken optimal integriert werden. Klassische Schaltungsträger, z. B. die Leiterkarte, sind planare Strukturen und somit für eine räumliche Integrierung nur bedingt geeignet. Ideal ist hier der Einsatz dreidimensionaler Strukturen.

MIDs: Leitende Formenvielfalt

Hier kommen die sogenannten MIDs ins Spiel. Die dreidimensionalen Schaltungsträger können in nahezu allen Formen hergestellt werden und integrieren die elektrische Leitung direkt auf das beliebige Bauteil. Unternehmen bauen so Sensorsysteme mit vielfältigen Lösungen auf und integrieren sie optimal.  

Einblick ins MID-Lab des Fraunhofer IEM: Der MID-Grundkörper wird in chemischen Bädern metallisiert.
Foto: Fraunhofer IEM

Aber was genau sind eigentlich MIDs? Die Abkürzung MID steht für Molded Interconnect Device oder für Mechatronic Integrated Device und steht für verschiedene Herstellungsverfahren, mit denen sich räumliche Schaltungsträger realisieren lassen.

Laserdirektstrukturierung: In drei Schritten

Das bekannteste und erfolgreichste MID-Herstellungsverfahren ist die Laserdirektstrukturierung spritzgegossener Kunststoffe. Unterteilen wir das Verfahren in drei Schritte:

  1. Ein Kunststoff wird in die gewünschte Form gespritzt. Dieser Schritt unterscheidet sich nicht wesentlich von der Fertigung klassischer Kunststoffteile. Die Besonderheit liegt im Kunststoff:  Besondere Additive ermöglichen die Weiterverarbeitung.
  2. Ein Laser schreibt das elektrische Layout auf den Kunststoff-Körper. Dabei werden die enthaltenen Additive aktiviert: An den aktivierten Stellen lagert sich in einem chemischen Bad Kupfer an. An der Oberfläche des Kunststoff-Körpers bilden sich so die Leiterbahnen aus Kupfer.
  3. Da Kupfer unter normalen Bedingungen sehr schnell oxidiert, wird er mit einer Nickel- und dann mit einer Goldschicht überzogen.

Smartphone, Laptop und Co.: MIDs sind bereits unter uns!

Das kling erstmal alles sehr vielversprechend – und tatsächlich kommen MIDs in vielen Endprodukten bereits zum Einsatz: Als dreidimensionale Antennenstrukturen werden sie unter anderem in Smartphones, Laptops und anderer Unterhaltselektronik verbaut – und ermöglichen so einen gegensätzlichen Trend: Bei ständig steigendem Funktionsumfang werden diese Endgeräte immer kompakter und eleganter. Könnte also nicht auch der Maschinen- und Anlagenbau von diesen Vorteilen profitieren?

Herausforderung Losgröße 1

Leider ist das derzeit schwierig: Die Laserdirektstrukturierung bietet zwar viele Vorteile, lässt sich durch das Spritzgussverfahren allerdings nicht wirklich für die Herstellung individueller Sensorsysteme nutzen. Die benötigten Formen sind in der Herstellung sehr aufwändig und dementsprechend teuer. Erst ab großen Stückzahlen wird dieser Prozess wirtschaftlich.

Vergleich von spritzgegossenem MID mit 3D gedrucktem MID.

3D-Druck ermöglicht MIDs in Losgröße 1

Um die Vorteile von MIDs trotzdem nutzen zu können, setzen wir im it’s OWL-Projekt MERLIN zwei neuartige Verfahren ein:

  1. Das Fraunhofer IEM hat ein spezielles Material entwickelt und patentiert, dass im 3D Drucker verwendet werden kann. Man kann somit auch für Losgröße 1 kostengünstig Grundkörper drucken.
  2. Die Technische Hochschule OWL verwendet einen Pulverlack, der den Aufbau von Schaltungen auf beliebigen metallischen Grundkörpern ermöglicht.

Der zuvor beschriebene LDS-Prozess kann so ohne große Veränderungen durchgeführt werden, da die benötigten Additive in dem 3D-Druck Material bzw. dem Pulverlack enthalten sind.

Leistungselektrische Schaltung in CMID Technologie

MID-Support für Unternehmen

Natürlich sind beide Technologien noch sehr neu. Wir sehen in ihnen aber großes Potential, um neue Einsatzmöglichkeiten abzudecken und innovative Produkte – auch im Bereich Kleinstserie und Stückzahl 1 – zu entwickeln. Daher entsteht im Projekt MERLIN eine Systematik zur Entwicklung individueller, drahtloser MID-Sensorsysteme für IoT-Anwendungen. Sie soll interessierte Unternehmen dazu befähigen, selbst individuelle MID-Produkte aufzubauen. Zwei Herausforderungen wollen wir mit der Systematik lösen:

  1. Expertenwissen aufbauen: In den Unternehmen mangelt es oft an Know-How zum Entwurf von 3D Elektronik in den neuen Technologien. Insbesondere die Komplexität und Abhängigkeiten in der Prozesskette sind unbekannt. Eine Entwicklung ohne dieses Wissen ist höchst wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt.
  2. Kosten-Nutzen-Abschätzung ermöglichen: Neben dem technischen Wissen ist eine transparente Darstellung der zu erwartenden Kosten für eine erfolgreiche Produktentwicklung notwendig, damit die Unternehmen bereits in der frühen Entwicklungsphase entscheiden können, ob die Entwicklung eines MID-Systems wirtschaftlich sinnvoll ist.

Pilotanwendungen mit der Industrie

In Pilotprojekten bauen wir direkt für industrierelevante Anwendungsbeispiele Demonstratoren und Funktionsmuster auf. Hierfür haben wir ein Konsortium aus vier Firmen gewinnen können, die interessante Use-Cases beisteuern. Mit der Firma Lenze wird eine Schaltung entwickelt, die relevante Kenngrößen von Elektromotoren, wie z.B. die Phasenspannung, und die Temperatur ermittelt, um so eine Condition Monitoring zu ermöglichen. Die eigentliche Schaltung soll hierbei direkt auf das metallische Gehäuse des Grundkörpers aufgebracht werden.

Zusammen mit den Firmen CP contech electronic und Berg Spanntechnik soll eine Predictive Maintenance Sensorik entwickelt werden, die ein Versagen von Dichtungen in Drehdurchführungen von CNC-Fräsen frühzeitig vorhersagen zu können, um ein Ausfall der Maschine zu vermeiden.

In Zusammenarbeit mit der Firma steute wird an einer Integration von Antennen ins Gehäuse von Sensoriken für die Automatische Materialversorgung gearbeitet, um eine erhöhte Reichweite und verbesserte Abstrahlcharakteristik zu erreichen. Des Weiteren soll für medizinische Fußschalter eine Dichtigkeitsmessung im laufenden Betrieb integriert werden, damit ein Kurzschluss durch eindringende Flüssigkeit vermieden werden kann. Unsere Erkenntnisse fließen direkt in unsere Systematik ein. Mit den Demonstratoren stellen wir die Leistungsfähigkeit der Technologien dar und machen Vor- aber auch Nachteile deutlich. Erste Prototypen wurden im Rahmen der Pilotprojekte bereits gefertigt und werden zur Zeit weiterentwickelt.

Beim Projektpartner Fraunhofer IEM können interessierte Unternehmen die Technologie MID im MID Lab erleben – vom Prototypen bis zur Kleinserienfertigung.